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Leseprobe "Armania - Auf der Suche nach dem Bernsteinblut"

Es hatte ein ganz normaler Tag werden sollen, statt- dessen wurde er zu einem der schlimmsten Tage meines Lebens. Meine Eltern waren noch immer
auf ihrer mehrwöchigen Rundreise und seit dem Tag am See waren nur wenige Tage vergangen. Criff schlief mitt- lerweile wieder bei Magnum, kam aber oft vorbei, damit ich mich nicht so alleine fühlte. Das Haus war doch merk- würdig still ohne meine Eltern und Spyke. Auch Line kam vorbei, wann immer sie konnte. Gemeinsam mit ihr hatten Criff und ich den heutigen Tag am Strand verbracht, gegen Mittag aber musste Line zu ihrem Vater in die Praxis. Sie wollte ihm vor ihrem Studium über die Schulter schauen, wann immer sie konnte. Erst gestern hatte sie die Zusage für das Medizinstudium bekommen, und wir hatten bei mir zuhause eine Freudenparty gefeiert. Criff und ich be- gleiteten sie einen Teil des Weges bis zur Praxis, setzten unseren Weg dann aber fort, den Seeberg hinauf. Oben angekommen alberten wir verspielt mit unserem Volley- ball herum und übten uns an einigen Balltricks, von denen die meisten ziemlich in die Hose gingen. Als dies bei mir wieder der Fall war, rollte der Ball den Hang hinab und ich rannte hinterher. Ich fand ihn etwas weiter unten zwischen den Ästen eines Busches. In dem Moment, in dem ich mich bückte und den Ball anhob, hörte ich einen lauten Knall, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Was war das? Das kommt doch von oben, wo Criff … Ich dachte diesen Gedanken nicht zu Ende. Eine dunkle Vorahnung überkam mich, und ich rannte so schnell ich konnte den Hang wieder hinauf. Oben angekommen blieb ich abrupt stehen und starrte auf die Plattform. Da waren Leute, drei, um genau zu sein, die eine Aura ausstrahlten, die mich davon abhielt, weiterzugehen. Criff sah mich und gab mir mit einem winzigen Kopfschütteln zu verstehen, dass ich auf keinen Fall näher kommen sollte. Also blieb ich, wo ich war und ließ mich stattdessen hinter einem Busch auf die Knie fallen. Ich konnte sehen, dass es sich bei den Leuten um einen großen bärtigen Mann, eine kleine zierliche und eine große, kräftige Frau handelte. Sie hat- ten sich vor Criff aufgebaut, der am Rande der Klippe stand und mir zum ersten Mal ein wenig Angst einjagte. Jetzt wusste ich, warum ich ihm nicht zu nahe kommen sollte, wenn er wütend war. So hatte ich ihn noch nie gese- hen. Seine Augen funkelten gelb wie die eines Adlers in der Sonne, der seine Beute entdeckt hatte, jeder Muskel seines Körpers war bis aufs Äußerste gespannt. Ich drückte den Ball fest gegen meinen Bauch, die Anspannung ließ meinen Körper unkontrolliert zittern.
»Was wollt ihr?«, knurrte Criff.
»Wir haben den Auftrag, den Prinzen von Armania lebend zu holen«, antwortete der Mann mit einer eigen- artig monotonen Stimme. Als wäre er zu müde, um sich die Mühe zu machen, die Worte in der richtigen Betonung auszusprechen.

»Wer gab euch diesen Auftrag?«, fragte Criff weiter, und nun antwortete ihm die kleine Frau in derselben Stimm- lage wie vorher der Mann.
»Saragan Princen erteilte uns den Auftrag, dich zu ho- len.« Dieser Name kam mir erschreckend bekannt vor.
»Dann sagt eurem Herrn doch bitte einfach, dass ich derzeit nicht die Lust empfinde, diesem Auftrag zu ent- sprechen«, antwortete Criff.
»Saragan sucht seit Jahren nach dir. Wenn du nicht frei- willig mitkommst, sollen wir dafür sorgen«, leierte die große Frau daraufhin.
»Viel Spaß bei dem Versuch!« Mit diesen Worten ver- schwand Criff vor meinen Augen und an seiner Stelle stand nun ein riesiger, wütender und zähnefletschender Tiger am Abhang. Kein Wunder, dass er ihn mir in meinem Zimmer nicht gezeigt hatte. So ein gigantisches und dennoch edles Tier in meinem Zimmer hätte, aller Liebe zum Trotz, ver- mutlich auch mich kurzzeitig in Schrecken versetzt. Nicht auszudenken was passiert wäre, hätten meine Eltern in die- sem Moment mein Zimmer betreten. Flügel konnte man ja noch als optische Täuschung ansehen, aber ein Tiger? Niemals. Meine Finger krallten sich in das dicke Kunst- leder des Volleyballs, als ich mit Schrecken erkannte, dass der bärtige Mann eine kleine Armbrust hervorholte, sie mit einem dicken kurzen Pfeil spannte und auf Criff zielte. Die waren sich der Wichtigkeit ihres Auftrags definitiv be- wusst. Verzweifelt versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen, wie ich ihn davon abhalten konnte Criff anzuschie- ßen. Den Blick panisch nach vorne gerichtet wollte mir jedoch partout nichts einfallen.
»Gib dich geschlagen, dann müssen wir nicht schießen«, sagte der Mann, die Armbrust noch immer auf Criff gerichtet. 

»Vergiss es!« Die Armbrust ging los, Criff sprang im letz- ten Moment zur Seite und anschließend mit hochgezogenen Lefzen und einem tiefen Grollen in der Stimme auf die drei Angreifer zu. Mit einem Satz warf der Tiger sich auf die kräftige Frau und biss sich in ihrem Arm fest. Ich unter- drückte den Impuls aufzuschreien. Erst beim zweiten Hin- sehen erkannte ich jedoch, dass Criff gar nicht nach dem Arm geschnappt hatte, sondern danach, was sich daran befand: ein dickes, silbernes Armband.
Er will sie nicht verletzen. Er will es abbeißen. Warum will er es abbeißen?, fragte ich mich in meinem Versteck, während meine Halsschlagader pulsierte. Ich hörte erneut einen lauten Knall, wie er auch zuvor ertönt war, als der Mann einen weiteren Pfeil mit der Armbrust abschoss. Er verfehlte Criff knapp. Dieser biss um sich, während er zu- gleich versuchte, den Geschossen auszuweichen. Was er nicht merkte, war, dass die drei Angreifer ihn immer weiter an den Abhang zurückdrängten. Ich war vor Angst wie gelähmt, krallte meine Finger noch tiefer in das dicke Plas- tik des Balles, bis sie schmerzten. Was geht hier vor sich. Wer sind diese Leute? Was wollen sie von Criff? Sind sie aus Armania? Sind das die Leute, vor denen Criff all die Jahre geflohen ist? Wie haben sie hierher gefunden? Meine Gedanken überschlugen sich im Sekundentakt, während ich mich hinter dem Busch zwingen musste zu atmen. Ich wollte rufen, ich wollte helfen, aber ich konnte nicht. Ich hatte so eine große Angst vor dem, was da passierte, und ich hatte Criffs Warnung im Ohr, ihm in diesem Zustand aus dem Weg zu gehen. Doch Hilfe holen war keine Op- tion. Niemand durfte von Criff und seiner Herkunft er- fahren und bis ich bei Magnum war, wäre es vermutlich zu spät. Was hätte er auch schon ausrichten können? Also blieb ich, wo ich war und presste mir den Volleyball in den Magen. Plötzlich ertönte ein neuer Knall, kurz da- rauf erklang das laute Brüllen einer Raubkatze. Ein wü- tender und schmerzverzerrter Klang. Mit großen Augen sah ich, wie Criff versuchte, mit seiner Schnauze einen der Pfeile aus seiner Pfote zu ziehen, doch er zerbrach in seinem Maul. Und schon schoss der bärtige Mann erneut und traf die Tigerschulter. Schwankend verwandelte Criff sich in seine menschliche Gestalt zurück und versuchte nochmals, den Pfeil aus seinem Körper zu ziehen. Doch ehe er ihn packen konnte, traf ihn ein weiterer ins Bein. Er taumelte nach hinten, doch da war nichts mehr als der Abgrund. Mit Müh’ und Not versuchte er sich aufrecht zu halten, doch sein angeschossenes Bein knickte immer wieder ein. Und dann sah ich mit blankem Entsetzen, wie Criff ins Leere trat und aus meinem Sichtfeld verschwand. Ein lau- tes Knacken ließ alle Haare auf meinem Körper zu Berge stehen und ich presste mir die schmerzenden Finger vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien.
Da erschien auch schon die stämmige Frau in meinem Sichtfeld und starrte die Plattform hinunter. In ihrer blut- verschmierten Hand hatte sie nun ebenfalls eine kleine Armbrust. Sie musste sie herausgeholt haben, als ich Criff beobachtet hatte. Doch die Armbrust enthielt nicht die- selben Pfeile wie die des Mannes, sondern ein leicht ovales Geschoss, etwa so groß wie ein Hühnerei. Die Frau zielte den Abhang hinunter und entsicherte die Armbrust mit lautem Knall, noch ehe der Mann die Worte »Nicht schie- ßen« heruntergeleiert hatte.
»Unser Auftrag war ihn lebend zurück zu bringen!«, sagte die kleine Frau monoton.
»Nimm ihm Blut ab und dann verschwinden wir«, entgegnete die andere Frau so unbeteiligt und gelang- weilt, als ginge sie das Ganze hier nichts an. Als sie sich daraufhin abwandte, konnte ich zum ersten Mal ihr Ge- sicht richtig sehen. Ihre Augen wirkten farblos und leer, als würde sie schlafwandeln. Ich sah, wie die kleine Frau mit einem spritzenähnlichen Gestell den Abhang hinunter- kletterte und nach kurzer Zeit wieder herauf kam. Die vor- her durchsichtige Kanüle war nun mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt. Die drei versteckten ihre Waffen in zwei schmalen Taschen und verschwanden den Hang hinunter. Schon nach kurzer Zeit waren sie nicht mehr zu sehen.
Mit wackligen Beinen tauchte ich aus meinem Versteck auf. Der Ball rollte den Abhang ein Stück hinunter, doch es war mir egal. Wie in Trance ging ich auf den Abgrund der Klippe zu, starrte auf das weite blaue Meer vor mir, ehe ich es wagte, nach unten zu sehen. Was ich dann sah, ließ Übelkeit in mir hochkommen. Criff lag seltsam gekrümmt auf einem Felsvorsprung, der ihn vor dem Sturz ins Meer bewahrt hatte. Er bewegte sich nicht, seine Augen waren geschlossen, sein linker Arm stand in einem merkwürdi- gen Winkel ab, und er hatte überall blutende Wunden. Am deutlichsten war eine Platzwunde an der Stirn, aus der eine Menge Blut sickerte. In seinem rechten Arm und in einem Bein steckten drei Pfeile. Und von meiner Position sah es aus, als würde er nicht atmen.

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